- Was ist Tantra?
- Was ist Tantra Yoga?
- Was passiert in einer Tantra Yoga-Stunde?
- Tantra und Neo-Tantra
- Fazit
Was ist Tantra?
Historisch gesehen steht Tantra für zwei Dinge. Zum Einen bezeichnet es eine bestimmte Art von Schriften (die Tantras, oder Agamas und Nigamas) und zum Anderen steht es für die spirituelle Praxis, die auf diesen Schriften basiert. Sprich: Wenn es nicht in den Tantras steht, ist es kein Tantra 🙂
Tantra als philosophische Strömung entstand im indischen Mittelalter um ca. 500 nach Christus und erlebte eine Blütezeit von ungefähr 800-1000 Jahren, in denen es einen bedeutenden Einfluss auf fast alle östlichen Philosophie- und Religions-Traditionen ausgeübt hat.
Es entstand als eine spirituelle Gegenbewegung zu Traditionen, die nur Männern einer bestimmten Kaste oder Asketen zugänglich war, die versuchten in ihrer Praxis den Körper und die Welt zu überwinden (zu transzendieren).
Tantra hingegen war offen für alle Menschen, unabhängig von Geschlecht oder Kaste und umfasst und integriert alle Bereiche des täglichen Lebens und Erlebens. Anstatt vor der Welt zu fliehen, fasst Tantra das materielle und das spirituelle zusammen und schafft eine Philosophie, die grundsätzlich lebensbejahend ist und keine Erfahrung ausschließt oder abwertet.
Verwirklichung und die Befreiung von Leid werden im Tantra nicht im Tempel oder auf dem Berg in der Einsamkeit gesucht, sondern inmitten des täglichen Lebens, in jedem Augenblick des Lebens.
Was ist Tantra Yoga?
Tantra Yoga ist ein spirituelles System, in dem der gesamte Erfahrungshorizont des Menschen (Atmung, Aufmerksamkeit, Vorstellungskraft, der Körper, etc.) genutzt wird, um die/den Praktizierende*n von Unwissenheit und Leid zu befreien.

Yoga wird hier in seinem ursprünglichen Wort-Sinn verwendet, anders als das heute gemeinhin getan wird. Yoga steht hier in erster Linie für eine meditative oder kontemplative Praxis. Das muss nicht im Widerspruch zu Bewegungs- oder Stellungs-orientiertem Yoga stehen, wie wir gleich sehen werden. Aber egal, ob mit oder ohne Bewegung, steht in der tantrischen Praxis die Selbst-Erfahrung im Vordergrund.
Die Praxis des Tantra Yoga lässt sich wahrscheinlich am besten beschreiben als ein Zusammenspiel verschiedener Elemente, die gleichzeitig verwendet werden. Diese sind (unter anderen):
- Mudra – Körperhaltungen, Bewegungen, Asanas
- Pranayama – Atmung
- Mantra – Rezitation
- Yantra – Visualisierung
- Nyasa – platzieren von Aufmerksamkeit
- Bhava – innere Einstellung
Wobei nicht immer alle diese Elemente in einer einzelnen Übung vorkommen (oder vorkommen müssen). Im Gegenteil, die einzelnen Elemente dienen vor allem als Hilfestellung und können in der Praxis nach Bedarf hinzugefügt oder weggelassen werden.
Im Kern geht es in der tantrischen Yoga-Praxis um das Kultivieren von Wahrnehmung und darüber den Zugang zur eigenen Intuition und inneren Weisheit zu erlangen. In diesem Sinne ist Tantra Yoga vor allem eines: individuell. So individuell wie Du. Und damit eine Einladung Dich selbst zu erfahren und kennenzulernen.
Wenn Dir einiges, was hier geschrieben steht, bekannt vorkommt, ist das kein Zufall. Viele moderne(-re) Yoga Richtungen und Schulen wie Hatha Yoga, Kundalini Yoga, oder Kriya Yoga haben ihre Wurzeln direkt oder indirekt im Tantra bzw. sind aus tantrischen Traditionen heraus entwickelt worden und haben sich mit dem Aufkommen des modernen Haltungs-Yoga verselbstständigt.
Es ist schwer heutzutage eine klare Grenze zwischen Tantra Yoga und anderen Yoga Stilen zu ziehen, da die meisten modernen Yoga Traditionen sehr stark von Tantra bzw. Tantrischen Ideen, Praktiken und Ansätzen durchzogen sind. Wahrscheinlich hast Du schon Tantra Yoga praktiziert, ohne es zu merken 😉
Was passiert in einer Tantra Yoga Stunde?
In der Regel besteht eine Tantra Yoga Stunde bei ForYou Yoga aus ungefähr zwei drittel Asana Praxis und einem Drittel Meditation.
Als eine Praxis, die mitten im Leben steht, beginnen wir damit uns sanft vom Alltag zu lösen, indem wir mit der Asana Praxis einen Schritt zurücktreten und mit dem Wahrnehmen und Spüren des Körpers wieder bei uns Selbst ankommen.
Dabei nutzen wir verschiedene Elemente aus dem Hatha Yoga, aber lassen uns auch von anderen Stilen und Schulen inspirieren wie z.B. Shadow Yoga oder Kundalini Yoga.

Der körperliche Teil der Praxis dient dazu, die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung von Außen nach Innen zu lenken. Das kann mal schnell und fordernd, mal langsam und passiv, fließend oder statisch sein. Es ist vor allem eine Einladung an Dich, Deine Intuition zu kultivieren und herauszufinden, zu spüren, welche Praxis für Dich in diesem Moment die Richtige ist.
Vor allem bereitet Dich die körperliche Praxis auf eine sanfte Art und Weise auf die anschließende Meditation vor. Nachdem der Körper bewegt wurde und wieder in einen angenehmen Status quo zurückgefunden hat, wendest Du Dich mit der gleichen Gelassenheit Deinem Geist zu.
In den Tantra Meditationen geht es vor allem um das Kultivieren von Wahrnehmung. Wie weiter oben beschrieben kombinierst Du verschiedene Elemente in der Meditation, um Deine Aufmerksamkeit zu binden und dann – mit dem Loslassen aller Technik – in eine tiefe, innere Stille und Entspannung einzutauchen, die es Dir ermöglicht, Dich auf eine ganzheitliche Art und Weise wahrzunehmen, zu spüren und zu erfahren.
Wahrnehmung und Erfahrung bezieht sich hier auf alle Schichten Deines Selbst. Angefangen bei Deinem physischen Körper, über den Energiehaushalt und den Energiefluss im Körper, Deine Gedanken und Emotionen bis hinein in die tiefen Schichten Deines Selbst, in denen Freude und Weisheit darauf warten, von Dir entdeckt und erfahren zu werden.
Tantra und Neo-Tantra
Ist Tantra nicht dieses Sex-Ding, mit Stellungen aus dem Kamasutra und so? Das ist wahrscheinlich ein erster Eindruck, den viele Menschen vom Begriff Tantra haben. Zeit das ein wenig auseinanderzunehmen, denn die Antwort ist ein klares: Jein 🙂
Es gibt eine große Bewegung, die sich tatsächlich viel mit Themen wie Sex, Partnerschaft, Intimität auseinandersetzt. Sie ist allerdings nur dem Namen nach verwandt mit dem, was wir unter Tantra verstehen. Generell wird dieser Bereich als Neo-Tantra bezeichnet und seine Entstehung gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist im Prinzip auf eine missverstandene Interpretation von Tantra zurückzuführen.
Das führt uns direkt zur anderen Seite von Tantra. Denn Tantra hat durchaus etwas mit Sex, Sexualität, Partnerschaft und Intimität zu tun, aber in einem wesentlich geringerem Ausmaß als im Neo-Tantra gerne kolportiert wird.
Als eine spirituelle Praxis, die alle Bereiche des täglichen Lebens einschließt, umfasst Tantra natürlich auch Gedanken über Partnerschaft und Intimität. Vor allem aber im Kontext der eigenen Wahrnehmung und spirituellen Weiterentwicklung.
Es gibt einige wenige Schulen in denen es auch vereinzelt sexuelle Praktiken gibt, diese stellen aber eher eine Ausnahme dar. Hier schließt sich auch der Kreis zum Neo-Tantra. Es sind genau diese aus dem Zusammenhang gerissenen Praktiken, die im Westen auf ein sensations- und skandal-freudiges Publikum gestoßen sind.
Später wurde der Begriff des Tantra in dieser Bedeutung von der Hippie-Bewegung wieder aufgegriffen. Freie Liebe und spirituelle Sinnsuche verschmolzen zu dem, was wir heute als Neo-Tantra bezeichnen. Mit klassischen Tantra oder Tantra Yoga hat dies allerdings nicht mehr sehr viel gemeinsam.
Fazit
Tantra Yoga ist eine ganz besondere Yoga-Praxis, da sie im Gegensatz zu anderen Yoga Stilen mitten im Leben steht. Tantra möchte angewendet werden und anwendbar sein. Tantra sagt Dir: Glaube nicht, erfahre. Tantra ist einfach, denn es beschreibt keinen langen, komplexen Weg, über viele Wiedergeburten und komplexe Stufen der Erleuchtung. Es beschreibt einen simplen Weg, der Dich zu mehr Achtsamkeit in Deinem Leben führt, zu einer Wahrnehmung frei von Anhaftung und Ablehnung.
Tantra ist vor allem eine Einladung Dir Selbst zu vertrauen und Deinen eigenen Weg zu gehen. Darin möchte Tantra Dich bestärken und unterstützen.
Namaste